Karl May - Von Bagdad nach Stambul Страница 12

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Karl May - Von Bagdad nach Stambul

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»Das geht mich nichts an, denn ehe ihr die unserigen getötet habt, fragtet ihr auch nicht danach, ob sie schlechter waren, als diejenigen, die ich euch dafür nehmen würde. Warum wurde mein Pferd nicht erschossen?«

»Der Scheik wollte es haben.«

»Glaubte er wirklich, daß er es bekommen werde? Und wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte ich es mir sicher wieder geholt. Wer entdeckte heute die Abwesenheit der Pferde?«

»Auch der Scheik. Er lief in das Zelt der Gefangenen, und als dieses leer war, rannte er zu den Pferden; sie waren fort.«

»Fand er gar nichts?«

»Den Wächter, der unter einem Hunde lag.«

»Was geschah mit ihm?«

»Er wurde unter dem Hunde liegen gelassen zur Strafe dafür, daß er nicht aufgepaßt hatte.«

»Fürchterlich! Seid ihr Menschen?«

»Der Scheik hat es so geboten.«

»Was wird da mit dir geschehen, der du auch nicht aufgepaßt hast? Ich habe hinter dem Kirschlorbeer gelegen, einen einzigen Schritt von dir entfernt; ich bin dann hinter dir zu den Pferden gegangen, von denen ich nicht wußte, wo sie waren, und dann bin ich dir nach dem Lager gefolgt.«

»Herr, laß das den Scheik nicht wissen!«

»Sei ohne Sorge! Ich habe es nur allein mit dir zu tun. Ich werde jetzt meinen Gefährten deine Antworten sagen, und dann mögen sie dein Urteil sprechen. Du sollst nicht von uns zwei Christen, sondern von diesen vier Muselmännern gerichtet werden!«

Ich verdolmetschte meine Unterredung mit dem Bebbeh in das Arabische.

»Was willst du mit ihm tun?« fragte mich Mohammed.

»Nichts,« erwiderte ich ruhig.

»Emir, er hat uns belogen, betrogen und dem Feinde in die Hand geliefert. Er hat den Tod verdient.«

»Und was noch mehr ist,« fügte Amad el Ghandur hinzu, »er hat bei dem Barte des Propheten falsch geschworen. Er hat den dreifachen Tod verdient.«

»Was sagst du dazu, Sihdi?« fragte Halef.

»Jetzt nichts. Bestimmt ihr, was mit ihm werden soll!«

Während die vier Mohammedaner beratschlagten, erkundigte sich auch der Engländer bei mir:

»Nun? Was wird mit ihm?«

»Ich weiß es nicht. Was würdet Ihr mit ihm tun?«

»Hm! Niederschießen!«

»Haben wir das Recht dazu?«

»Yes! Sehr!«

»Der Weg des Rechtes ist folgender: Wir beschweren uns bei unsern Konsulaten; von da geht die Beschwerde nach Konstantinopel, und dann erhält der Pascha von Sulimania den Befehl, den Uebeltäter zu bestrafen – wenn er ihn nicht belohnen soll.«

»Schöner Weg des Rechtes!«

»Aber der allein erlaubte für uns als Bürger unserer Staaten. Und ferner: Was werdet Ihr als Christ mit diesem Feinde tun?«

»Geht mir mit Euren Fragen, Master! Ich bin Englishman. Macht, was Ihr wollt!«

»Und wenn ich ihn nun laufen lasse?«

»So mag er laufen! Ich fürchte mich nicht vor ihm; er braucht also meinetwegen nicht ganz totgeschlagen zu werden. Macht es lieber möglich, daß ich ihm meine Nase aufhängen kann; das wäre die beste Strafe für diesen Menschen, der uns gestern eine Nase gedreht hat, welche zwanzigmal imposanter war, als die meinige! Yes!«

Der Bebbeh schien mittlerweile die Geduld zu verlieren. Er wandte sich in der jetzt eintretenden Pause wieder an mich:

»Herr, was wird mit mir geschehen?«

»Das wird ganz auf dich ankommen. Von wem willst du gerichtet sein? Von den vier Männern, die ihr Gläubige nennt, oder von den zwei Männern, denen ihr den Schimpfnamen »Giaur« zu geben pflegt?«

»Chodih, ich bete zu Allah und dem Propheten; es mögen nur solche Männer über mich bestimmen, welche wahre Gläubige sind!«

»Du sollst deinen Willen haben! Wir beide hätten dir verziehen und dich morgen früh zu den Deinigen zurückkehren lassen. Ich sage mich los. Mag dir werden, was du gewünscht hast, und mögest du nicht bereuen, das Wort eines Christen bezweifelt und seine Nachsicht von dir gewiesen zu haben!«

Endlich waren die anderen zu einem Entschluß gekommen.

»Emir, wir erschießen ihn!« sagte Mohammed.

»Das leide ich auf keinen Fall!« antwortete ich.

»Er hat den Propheten geschändet!«

»Seid ihr die Richter darüber? Er mag dies mit dem Imam, mit dem Propheten oder mit seinem Gewissen abmachen!«

»Er hat den Spion gemacht und uns verraten!«

»Hat einer von uns sein Leben dadurch verloren?«

»Nein; aber wir haben anderes verloren.«

»Wir haben Besseres dafür genommen. Hadschi Halef Omar, du kennst meine Meinung; es betrübt mich, dich so blutgierig zu sehen.«

»Sihdi, ich wollte es nicht!« entschuldigte er sich eifrig. »Nur die Haddedihn und der Bannah wollten es.«

»So ist meine Meinung, daß der Bannah hierbei nichts zu sagen hat. Er ist unser Führer und wird dafür bezahlt. Aendert euer Urteil!«

Sie flüsterten von neuem zusammen; dann teilte mir Mohammed Emin das Resultat mit:

»Emir, wir wollen sein Leben nicht, aber er soll entehrt werden. Wir nehmen ihm die Locke und schlagen ihn mit Ruten in das Gesicht. Wer solche Schwielen trägt, hat keine Ehre mehr.«

»Das ist noch fürchterlicher als der Tod und hat doch keinen Erfolg. Ich habe einem Bebbeh Ohrfeigen gegeben, weil er meinen Glauben beleidigte, und gestern kämpfte er doch an der Seite des Scheiks gegen mich. Haben ihn also diese Schläge geschändet?«

»Die abgeschnittene Locke wird ihn sicher schänden!«

»Er wird den Turban aufbehalten, so daß man es nicht sieht.«

»Du selbst wolltest sie ihm doch vorhin abschneiden lassen!«

»Nein; ich hätte es nicht getan. Es war nur eine Drohung, um ihn zum Sprechen zu zwingen. Ueberhaupt – warum wollt ihr diese Bebbeh noch mehr gegen uns erbittern? Sie fühlen sich im Rechte gegen uns, weil sie glauben, daß wir Verbündete der Bejat gewesen sind. Sie können es nicht wissen, daß wir einen solchen Raubzug nie gebilligt hätten; sie können es nicht wissen, daß ich dem Khan Heider Mirlam offen in das Gesicht gesagt habe, ich hätte die Bebbeh gewarnt, wenn es mir möglich gewesen wäre; sie haben uns bei Räubern getroffen und behandeln uns als Räuber. Jetzt sind wir ihnen glücklich entkommen, und vielleicht lassen sie von uns ab; wollt ihr sie durch eure Grausamkeit zwingen, uns weiter zu verfolgen?«

»Emir, wir waren ihre Gefangenen; wir müssen uns rächen!«

»Auch ich war Gefangener, öfters als ihr; aber ich habe mich nicht gerächt. Der Raïs von Schohrd, Nedschir-Bey, nahm mich gefangen. Ich befreite mich selbst und verzieh ihm; dann wurde er mein Freund. War das nicht besser, als wenn ich eine Blutschuld zwischen uns gelegt hätte?«

»Emir, du bist ein Christ, und die Christen sind entweder Verräter oder Weiber!«

»Mohammed Emin, sage dies noch einmal, so geht dein Weg von dieser Minute an nach rechts und der meinige nach links. Ich habe nie deinen Glauben geschmäht; warum tust du es mit dem meinen? Hast du jemals mich oder diesen David Lindsay-Bey als einen Verräter oder ein Weib gesehen? Ich könnte jetzt recht gut den Islam beleidigen; ich könnte sagen: die Moslemin sind undankbar, denn was ein Christ für sie tut, das vergessen sie. Aber ich sage es nicht, denn ich weiß, wenn einer sich einmal von seinem Fleische hinreißen läßt, so gibt es doch viele, die sich beherrschen können!«

Da sprang er auf und streckte mir beide Hände entgegen.

»Emir, verzeihe mir! Mein Bart ist weiß und der deinige noch dunkel, aber obgleich dein Herz jung und warm ist, so hat doch dein Verstand die Reife des Alters. Wir geben dir diesen Mann. Tue mit ihm nach deinem Wohlgefallen!«

»Mohammed, ich danke dir! Ist auch dein Sohn einverstanden?«

»Ich bin es, Effendi,« antwortete Amad el Ghandur.

Nun wandte ich mich erfreut zu dem Gefangenen:

»Du hast uns einmal Lügen gesagt. Willst du mir versprechen, heute mit mir die Wahrheit zu reden?«

»Ich verspreche es!«

»Wenn ich dir jetzt deine Fesseln nehme und du mir versprichst, dennoch nicht zu entfliehen, würdest du dein Wort halten?«

»Herr, ich verspreche es!«

»Nun wohl; diese vier Moslemim haben dir deine Freiheit wieder gegeben. Heute bleibst du noch bei uns, und morgen kannst du gehen, wohin es dir beliebt.«

Ich band seine Hände und Füße los.

»Herr,« sagte er, »ich soll dich nicht belügen, und nun sagst du selbst mir die Unwahrheit.«

»Inwiefern?«

»Du sagst, diese Männer hätten mir die Freiheit gegeben, und das ist nicht wahr. Nur du allein hast sie mir gegeben. Sie wollten mich erst erschießen; dann wollten sie mich peitschen und mir den Schmuck des Gläubigen nehmen; du aber hast dich meiner erbarmt. Ich habe jedes Wort verstanden, denn ich spreche das Arabische ebenso gut wie das Kurdische. Und nun weiß ich auch aus deinen Worten, daß ihr den Bejat nicht geholfen habt, sondern Freunde der Bebbeh gewesen seid. Emir, du bist ein Christ; ich habe die Christen gehaßt: heute lerne ich sie besser kennen. Willst du mein Freund und Bruder sein?«

»Ich will!«

»Willst du mir vertrauen und hier bleiben, obgleich morgen eure Verfolger hier eintreffen werden?«

»Ich vertraue dir!«

»Reiche mir deine Hand!«

»Hier ist sie! Aber werden auch meine Gefährten sicher sein?«

»Ein jeder, der zu dir gehört. Du hast kein Lösegeld von mir gefordert; du hast mir erst das Leben und dann die Ehre gerettet; dir und den Deinen soll niemand ein Haar krümmen!«

So waren wir denn auf einmal aller Sorgen ledig! Ich hatte keine Ahnung gehabt, daß dieser Mann auch Arabisch verstand; doch war ich ganz glücklich, diesem Umstande einen solchen Sieg zu verdanken. Zur Feier desselben holte ich den letzten Rest von Tabak hervor, den meine Satteltasche barg; es war nicht viel, aber der duftende Rauch bewirkte dennoch eine Stimmung, welche ganz anders war als die, mit der wir unsere »Jury« begonnen hatten.

Mit frohem Mute legten wir uns schlafen und hatten dabei sogar die Kühnheit, keine Wachen auszustellen.

Des andern Morgens sah die Sache etwas weniger romantisch aus als gestern Abend bei der poetischen Beleuchtung des flackernden Lagerfeuers; aber ich beschloß dennoch, dem Bebbeh ein offenes Vertrauen zu zeigen.

»Du bist nun frei,« sagte ich zu ihm. »Dort steht dein Pferd, und deine Waffen wirst du auf dem Rückwege finden.«

»Die Meinigen werden sie finden; ich bleibe hier,« antwortete er.

»Wenn sie nun nicht kommen?«

»Sie kommen!« antwortete er in sehr bestimmtem Tone, »und ich werde dafür sorgen, daß sie nicht vorüber reiten.«

Wir hatten nämlich die Nacht in einem kleinen Seitentale zugebracht, welches eine solche Krümmung besaß und dessen Eingang so schmal war, daß wir selbst am Tage vom Haupttale aus nicht bemerkt werden konnten. Der Bebbeh schritt diesem Ausgange zu und nahm hier eine solche Stellung, daß er weit nach rückwärts blicken konnte. Wir anderen warteten mit Neugierde der Dinge, die da kommen sollten.

»Und wenn er uns abermals betrügt?« fragte Mohammed.

»Ich vertraue ihm. Er wußte ja, daß er seine Freiheit wiederbekommen solle, und brauchte mir also gar nicht zu gestehen, daß er jedes Wort unserer Unterredung verstanden habe. Ich glaube sicher, daß er es redlich meint.«

»Aber wenn er uns doch hintergeht, Emir, so schwöre ich bei Allah, daß er der erste ist, den meine Kugel trifft!«

»Dann verdient er es nicht anders.«

Auch David Lindsay schien nicht mit sich einig zu sein.

»Master, dort sitzt er am Eingange,« sagte er; »und wenn er uns abermals belügen wird, so befinden wir uns in dem schauderhaftesten Loche, das es nur geben kann. Nehmt es nicht übel, wenn ich nach meinen Waffen und nach meinem neuen Pferde sehe!«

Ich hatte allerdings eine außerordentliche Verantwortlichkeit auf mich geladen, und ich gestehe gern, daß mir selbst dabei nicht ganz wohl zu Mute war; doch sollte zum Glück die Entscheidung nicht lange auf sich warten lassen.

Wir bemerkten, daß der Bebbeh sich erhob und, das Auge mit der Hand beschattend, aufmerksam in die Ferne blickte; dann suchte er sein Pferd auf, um dasselbe schleunigst zu besteigen.

»Wohin?« fragte ich.

»Den Bebbeh entgegen,« antwortete er; »sie kommen. Erlaube, daß ich sie vorbereite, Herr!«

»Tue es!«

Er ritt ab. Mohammed Emin aber meinte:

»Emir, wirst du nicht einen Fehler begangen haben?«

»Ich hoffe, daß mein Verhalten das richtige ist. Wir haben Frieden geschlossen, und wenn ich ihm Mißtrauen zeigte, so wäre dies grad das rechte Mittel, ihn wieder zu unserem Feinde zu machen.«

»Aber er war in unserer Hand und sollte uns als Geisel dienen!«

»Er wird auf alle Fälle wiederkehren. Unsere Pferde stehen so, daß wir mit einem Sprunge im Sattel sein können. Haltet die Waffen bereit, aber so, daß es nicht auffällig ist.«

»Was soll das nützen, Emir? Es werden ihrer viele sein, und du willst ja, daß wir nur auf die Pferde und nicht auf die Reiter schießen.«

»Mohammed Emin, ich sage dir: Wenn dieser Bebbeh einen Verrat beabsichtigt, so können wir uns durch den Tod der Pferde nicht retten, und ich bin der erste, welcher sein Gewehr auf die Reiter richtet. Bleibt ihr ruhig sitzen; ich aber werde mich an dem Eingang postieren. Ihr könnt euch dann nach dem richten, was ich tue.«

Ich schritt mit meinem Pferde der Enge zu, durch welche man in das Tal gelangte, stieg dann auf und nahm den Stutzen zur Hand. Mich nur wenig vorbeugend, konnte ich das Blachfeld übersehen und erblickte in nicht gar zu bedeutender Entfernung einen dichten Reitertrupp, der still hielt, um auf die Rede eines einzigen zu hören. Dieser war der Bruder des Scheik. Nach einer Weile lösten sich zwei Reiter von dem Trupp ab und ritten auf das Tal zu, während die andern auf der Stelle, die sie inne hatten, halten blieben. Ich erkannte Scheik Gasahl Gaboya mit seinem Bruder und wußte nun, daß wir nichts mehr zu fürchten hatten.

Als er herangekommen war und mich erblickte, parierte er sein Pferd. Der Ausdruck seines sonnverbrannten Angesichts war noch immer kein freundlicher, und seine Stimme klang fast drohend, als er fragte:

»Was willst du hier?«

»Dich empfangen,« antwortete ich kurz.

»Aber dein Empfang ist nicht sehr höflich, Fremder!«

»Verlangst du von einem Emir aus dem Abendlande etwa, dich freundlicher zu behandeln, als du ihm entgegenkommst?«

»Mann, du bist sehr stolz! Warum sitzest du zu Pferde?«

»Weil auch du beritten bist.«

»Komm mit zu deinen Gefährten! Dieser Mann, der der Sohn meines Vaters ist, wünscht, daß ich sehe, ob wir euch verzeihen können.«

»So komm; denn auch meine Männer wollen sich beraten, ob ihr bestraft oder begnadigt werden sollt!«

Das war ihm denn doch zu viel.

»Mensch,« rief er mir zu, »bedenke, wer ihr seid, und wer wir sind!«

»Ich bedenke es,« antwortete ich ruhig.

»Ihr seid nur sechs Männer!«

Ich nickte lächelnd.

»Und wir sind ein ganzes Heer!«

Ich nickte noch einmal.

»So gehorche, und laß uns ein!«

Ich nickte zum dritten Male und drängte mein Pferd zur Seite, so daß der Scheik und sein Bruder den schmalen Eingang passieren konnten. Jetzt hatten wir gewonnen; denn wenn der Scheik gegen den Willen seines Bruders die Feindseligkeit fortsetzen wollte, so war er gänzlich in unsere Hand gegeben.

Beide ritten auf die Gruppe meiner Gefährten zu, stiegen ab und setzten sich nieder. Ich tat dasselbe.

»Ist‘s freundlich oder feindlich, Master?« fragte mich Lindsay.

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