Sibylle Lewitscharoff - Blumenberg Страница 21

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Sibylle Lewitscharoff - Blumenberg

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Grande admiratrice du philosophe, Sibylle Lewitscharoff, dans ce roman qui multiplie les allusions a Lions, evoque surtout le penseur dans son cabinet de travail. On pourrait parler en l'occurrence de portrait moral d'un saint moderne qui, tel saint Jerome (la comparaison est explicite), a voue son existence a l'etude dans la solitude de sa retraite. Dans le roman, la metaphore devient realite, le lion de la legende de Jerome se concretise dans son bureau, devient donc present mais tout en restant, comme la realite, impossible a atteindre. Les 5 chapitres intitules Le lion (numerotes de I a V) constituent, avec les chapitres Coca-cola et Egypte, une biographie intellectuelle de Blumenberg et un bel hommage a un maitre venere. Parallelement a ce portrait, dans des chapitres qui en sont presque independants, l'auteur a voulu construire une sorte de conte philosophique et moral, a propos du rapport d'un individu avec un maitre (illustre par 5 exemples). Dans la petite ville de Munster, dans les annees 80, quatre etudiants suivent les cours brillants — decisifs pour le destin de chacun d'eux — du celebre philosophe. Le premier (et le seul des quatre a avoir un bref entretien avec le professeur), Gerhard (chap. Optatus, Dimanche, L'ange annonce et Heilbronn), studieux et brillant, deviendra lui-meme professeur de philosophie. Sa petite amie, Isa, inquiete et passablement exaltee, est tourmentee en secret par une passion morbide pour le maitre, ce qui la conduira au suicide (chap. Optatus, Dimanche et N 255431800). Leur ami, Richard, reve du maitre comme d'un sauveur et, decu, va poursuivre en Amazonie son reve infantile de salut (un recit d'une sombre beaute, en 3 chapitres consecutifs, Richard, etc.). Hansi, quant a lui, transforme en delire l'enseignement du maitre et s'enfonce lentement dans la folie (chap. Hansi et Addenda). Un cinquieme personnage au caractere bien trempe, la religieuse Mehliss (chap. Souci universel), reconnait aussi la superiorite de Blumenberg, mais intuitivement (elle est la seule a voir le lion), sans rien savoir du philosophe. Tout le roman tient dans le recit de l'existence de ces differents personnages (aux destins contrastes mais independants, obeissant uniquement a une logique interne a chaque personnage) depuis le jour de leur rencontre avec le philosophe jusqu'a leur mort… et meme encore plus loin, dans un au-dela explicitement inspire de Beckett ou le dernier chapitre les reunit tous, en compagnie de Blumenberg. Ne en avril 1954, Sibylle Lewitscharoff est l'auteur d'une oeuvre riche et reconnue en Allemagne. Ce titre, pour lequel il lui a ete decerne plusieurs prix est le son premier ouvrage a etre traduit en francais.

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Wandelbar auch das Kleid der Höhle. Ein wandelbarer Wall, an dem die Bilder auflaufen. Mal nackte Felswand, mal von aufzuckenden Erscheinungen belebt, mal mit Tapisserien behangen, aus denen einzelne Figuren hervortreten oder hervorhüpfen können, zum Beispiel das Rebhuhn, um, wenn nicht mehr benötigt, wieder in die Tapisserie aufgenommen zu werden und dort ruhigen, rebhuhnhaften Sinnes zu verharren, bis ein neuerliches Herauskommen gewünscht wird. Leitern an den Wänden, auch sie an wandelbaren Stellen. Aber, soweit der Hauptraum überblickt werden kann, derzeit nicht in Gebrauch.

Wenn man nicht wüßte, daß auch der Hauptraum seine Form verändern kann, würde man sagen: in der Mitte des Raums bequem hingelagert sechs Figuren. Teils auf einem alten, etwas fleddrigen Chesterfield-Sofa, teils am Boden gegen Kissen und Stapel von Decken gelehnt. Einer gelehnt gegen den Bauch eines mächtigen Löwen, mächtig auch im Vergleich zu den neben ihm klein wirkenden Menschen: er, Löwe, Blickfang der Höhle.

Nie zuvor hatte Blumenberg so wohlig geruht. Eine zweifelhafte Behauptung. Blumenbergs Erinnerungen an vormalige Ruhezustände waren viel zu blaß, als daß er hier zu Vergleichen befähigt gewesen wäre. Das Atmen des Löwen teilte sich seinem Rücken mit. Vom Löwen ging Wärme aus, eine atmende Heizung umfing ihn von hinten. Der Löwengeruch, unbezwingliche animalische Präsenz verbreitend, streng, aber nicht unangenehm, hüllte ihn ein.

In Blumenberg bildete sich ein als. Hier wurde langsamer gedacht als vormals üblich. Es sei ihm nicht schwergefallen, als — aber wann? aber was? wohin führte dieses als? Die verflossene Zeit konnte er nicht mehr taxieren, die darin geborgenen Handlungen nicht mehr in einen logischen Ablauf bringen. Es war, als hätten sich im logischen Raum seines Denkens Kavernen aufgetan, die nach unbekannten Prinzipien funktionierten. Sein Unvermögen beunruhigte ihn nicht, darum verflüchtigte sich das als.

Er schlug die Augen auf, als täte er es zum ersten Mal, erblickte fünf Personen um sich geschart und erkannte sie. Zwei der Namen fielen ihm gleich bei. Käthe Mehliss und Gerhard Baur. Baur, an den er sich aus der Sprechstunde noch erinnern konnte, auch wenn diese Sprechstunde jetzt ferngerückt war, als hätte ein anderer sie abgehalten, fern, als hätte er sich selbst nur für einen vorbeiwischenden Moment im Kopf dieses anderen aufgehalten, der einmal Professor gewesen war.

So kurz ihre Begegnung gewesen sein mochte, Käthe Mehliss hatte sich ihm eingeprägt. Sie trug auch hier ihre weiße Haube, die den Kopf betonte, allerdings erschien sie ihm jünger, als er sie in Erinnerung hatte, während ihm die anderen vier Personen, auch Gerhard Baur, älter vorkamen. Das Mädchen, das immer in der ersten Reihe gesessen hatte, wirkte nicht mehr ganz so jung; die beiden Männer, die wohl auch seine Studenten gewesen waren und an die er sich eher verschwommen erinnerte, waren ebenfalls mittleren Alters.

Blumenberg schloß die Augen und gab sich der Löwenbehaglichkeit hin. Wenn er den rechten Arm ausstreckte und anhob, konnte er ihn auf die linke Schulter des Löwen legen. Alles war gestattet. Der Löwe war allein für ihn da. Blumenberg fühlte Gewißheit, daß er dem Löwen auf den Rücken hätte klettern dürfen, um wie ein Kind auf ihm zu reiten. Der Löwe würde dulden, daß er sein Gesicht in der Mähne vergrub, wahrscheinlich war es sogar erlaubt, ihm ins Maul zu langen und nach den Zähnen zu fassen, geradeso wie er einst seinem Axel mit dem Zeigefinger hinter die vorderen Eckzähne gefahren war, um ein bißchen mit ihm zu rangeln.

Seine Lider senkten sich herab. Unstoffliche Lider behüteten unstoffliche Augen, mit denen aber, war der Wille dazu vorhanden, intensiver gesehen werden konnte als mit herkömmlichen. Kein Grund, zu sprechen oder irgend etwas bewerkstelligen zu wollen. Da spürte er eine kleine Bewegung nahe der linken Hand, oder war es ein Scharren? Er öffnete die Augen — das Rebhuhn war zurückgekehrt, um sich — ja was? — mit ihm zu unterhalten? Blumenberg nahm es behutsam auf seinen Schoß und strich ihm mit dem Zeigefinger vorsichtig über den Kopf. Obwohl sich die Berührung in narrender Scheinhaftigkeit vollzog, war ein Vergnügen dabei, über den federglatten Kopf zu streichen, wobei das Rebhuhn den Kopf zu ihm herwendete und ihn aus einem vollkommen runden, schwarzglänzenden Auge ansah.

Bei dem Gehäusbild von Antonello da Messina habe ich mich falsch besonnen, sagte Blumenberg, da steht natürlich keine Wachtel auf der Brüstung, sondern du stehst da.

Das Rebhuhn nickte.

Die Erinnerung an sein Arbeitszimmer kehrte plötzlich mit überraschender Deutlichkeit wieder: Verzeih, ich hatte keine Abbildung auf dem Schreibtisch liegen, und es war lange her, daß ich sie mir zuletzt angeschaut hatte. Du bist in dem Bild, und du bist es gewesen, du allein, zu dem sich Johannes niedergebeugt hat. Mit dir hat er gespielt, glücklich wie ein Kind.

Das Rebhuhn nickte.

Selbstvergessen, befreit vom Geschäft, in der Anschauung Gottes zu verharren, kitzelte der Gottesmann dich unter dem Schnabel. Du willst mir nicht verraten, was ihr damals beredet habt?

In einem Erschauern lüftete das Rebhuhn sein Gefieder und ließ ein leises Flügelburren hören.

Wie ein einfältiges Kind wird er gesprochen haben, di-di, du-du, da-da, sagte die Mehliss. Von ihrer aufrechten, scharfen Art hatte sie kaum etwas verloren. Sehr gerade saß sie auf einem Stapel Decken, die blickdicht bestrumpften Fesseln mit den schwarzen Lackschuhen überkreuz: Und das Huhn wird halt getan haben, was Rebhühner eben so tun — schnarren!

Das Rebhuhn duckte sich in Blumenbergs Schoß nieder.

Richard hatte eine Hand weit über den Kopf erhoben. In Zeitlupe häkelten seine gekrümmten Finger etwas an der Luft: Ich habe meinem Kater komplette Gute-Nacht-Geschichten erzählt und ihn ins Bett genommen, sobald die Mutter aus dem Zimmer war. Ein fetter, fauler, schwarzer Kerl. Vielleicht war es auch nicht die Mutter. Vielleicht die Großmutter.

Halb liegend, halb sitzend, war er neben Isa tief eingesunken auf dem Chesterfield-Sofa, und nur die am langen Arm erhobene Hand zeigte an, daß er größer war als Isa.

Früher habe ich gern Rebhuhn gegessen, sagte Blumenberg, jetzt, wo ich dich so nah bei mir habe, ist das eine unmögliche Vorstellung, so unmöglich, als hätte das Verzehren von Rebhühnern niemals stattgefunden.

Das Rebhuhn erschauerte in seinem Schoß.

Es sei der scheußliche Lauf der Welt, daß man sie abschieße — verehre, male, abschieße, sich herablasse, mit ihnen zu sprechen, abschieße, undsoweiter, fort und fort, ließ sich etwas vernehmen, das vielleicht das Rebhuhn war. Die Stimme klang erstaunlich tief für einen so kleinen Vogel; jedes Wort wurde allerdings mit einem anfänglichen Glucksen hervorgestoßen, als hätten die Lautwerkzeuge des Tieres, besonders sein Zünglein, Mühe, die menschliche Sprache nachzubilden.

Niemals, überhaupt nie habe ich Hühner gegessen, sagte Isa. Vielleicht als Kind. Aber das änderte sich mit siebzehn, als ich in der Bretagne einen Geflügelmastbetrieb von innen sah. Sie wunderte sich, daß dieser Geflügelmastbetrieb, die Dumpfigkeit der Halle, ihr wieder so deutlich ins Gemüt stieg. Für einen Moment hielt sie inne, um zu überprüfen, ob auch wahr sei, was sie gerade gesagt hatte.

Dem Futter war irgend so ein Gift beigemischt, damit den Hühnern die Federn ausfielen. Alle waren nackt. Alle verletzt. In einer Lagerhalle Tausende von Hühnern, die Luft trüb vom hochgewirbelten Dreck. Unerträglich heiß war’s darin. Und überall das Gegacker, aber nicht einzeln, sondern in Wellen. Danach war es mir unmöglich, je wieder ein Huhn zu essen.

Immerhin, sagte Blumenberg, junge Menschen lassen sich von seltsamen Anblicken überwältigen und werden offenbar befähigt, eine Entscheidung zu treffen.

Stimmt aber nicht, sagte Gerhard, ich habe bei euch in der Wohnung mal ein Suppenhuhn gekocht, und du hast die Suppe regelrecht in dich hineingeschlungen, so gut schmeckte sie dir.

Isa wandte sich von Gerhard ab, der linkerhand von ihr, sehr für sich, mit langen Beinen inmitten eines Kissengebirges saß.

Hansi riß ein Streichholz an, ein Vorgang, der sich überlaut, mit einer winzigen Explosion, in Gezisch und Geknister übergehend, bemerkbar machte. Seine Zigarette hatte die Form einer wirklichen Zigarette, und sie glühte auch auf, als er an ihr sog, aber sie war eine gekonnte Lufttäuschung, und die um sie gekniffenen Lippen waren dies nicht weniger. Der Rauch, der beim Ausblasen aufstieg, wurde von keinem Windhauch entführt, nur von der Leere; er war kunstvoll, ein schnörkeliges, verschlungenes Gebilde, das sich langsam entschlang, als würde mit jedem Rauchstoß ein Knoten in Hansis Innerem in die Freiheit entlassen und entwirrt.

In ungewohnt salopper Nähe zu menschlichen Wesen, zwischen den Beinen Richards und Isas, hatte sich Hansi gegen das Sofa gelehnt, beim Rauchen legte er den Kopf weit zurück. Isa rührte mit dem Handrücken an seine Haare, die auf dem Sitzpolster auflagen, falls man diese Haare, gemacht aus hauchdünnen grauen Schattenfäden, noch Haare nennen wollte. Hansi schwieg, und er schien sein Schweigen zu genießen.

Was wir gegessen haben oder nicht gegessen haben, zählt hier nicht, sagte die Mehliss, hier wird jedenfalls nicht gegessen.

Aber die Leiden, die sie durch den Menschen erfahren hätten, die zählten sehr wohl, gab das Rebhuhn zu bedenken. Es hatte sich aufgeplustert und versuchte, würdevoll zu erscheinen, dabei kam es in Gefahr, sich an den Gluckslauten zu verschlucken.

Wir sind nicht dazu da, an alten Hiobsposten herumzukauen, sagte die Mehliss. Das ist nicht der Zweck unseres hiesigen Aufenthalts.

Ein leises Keuchen machte sich bemerkbar.

Was wäre der Zweck? Die große Einhauchung? fragte Hansi, mit dem neuerlichen Ausstoß einer Rauchwolke so intensiv befaßt, daß ihn eine mögliche Antwort gar nicht zu kümmern schien. Die Wolke machte sich waagrecht, in Wellen, davon.

An meine persönliche Wiedererweckung mag ich nicht glauben, das Haptische, das zweifellos Haptische, ist ja dahin. Hansi legte den Kopf noch weiter zurück, schloß die Augen und murmelte: Mein Weltzorn ist auch dahin. Ohne meinen Weltzorn bin ich kaum mehr als das bißchen simulierter Rauch, der in mich eindringt und meiner Kehle entfährt. Es gelingt mir einfach nicht, den Zorn wieder heraufzuholen.

Von allem etwas wissen, von nichts etwas haben, daran muß man sich gewöhnen. Das war die Mehliss.

Hier sehe ich jedenfalls keinen, der das Bedürfnis verspürte, gegen die Höhlenwände anzurennen oder eine Leiter zu erklimmen, um weiter oben nach einem Durchschlupf zu suchen, sagte Gerhard, obwohl es vielleicht ganz einfach wäre, unser Behälter scheint mir nicht sehr solide umwandet.

Der geschlossene Raum erlaubt die Herrschaft der Wünsche, murmelte Blumenberg matt.

Aber die Leiden, die wir durch den Menschen erfahren haben, die zählen sehr wohl. Eigensinnig ließ sich die im Rebhuhn rumorende Stimme nicht vom gewählten Punkt abbringen. Der Mensch bildet sich immerzu ein, nur er leide.

Ganz recht, erwiderte Blumenberg etwas aufgeweckter, das ist der Weltaberglaube seiner Auszeichnung. Er leidet und bildet sich darüber ein, er sei mehr als die übrigen Geschöpfe. In seiner anthropozentrischen Eitelkeit ist er nicht zu bremsen.

Da drüben, im Dunkel, wachsen die Kartoffeltriebe meterlang, sagte Isa und zeigte in ein weiter hinten liegendes Ungefähres. Es ist unheimlich.

Die alte Höhle förderte das Aufkommen unsolider Gebilde. Ort der falschen Fertilität, Ort der trügerischen Nahrhaftigkeit, sagte Blumenberg. Aber wir sind in einer neuen Höhle, in der die platonischen Versprechungen so wenig ziehen wie in der alten.

Hier wird nicht gegessen, hier gibt’s keine Kartoffeltriebe, stellte die Mehliss fest, hier werden die Triebe entwildert.

Gerhard wandte ein, es sei jedenfalls nicht zu erkennen, daß man zwecks Seligspeisung mit dem Fleisch des Leviathan beköstigt würde. Vielleicht seien sie nicht gerecht genug dafür. Erpicht auf solche Speise sei er aber nicht.

Seine Augen waren wie die Augen der anderen auf Blumenberg gerichtet, als erhofften sie sich von ihm die wichtigen Aufschlüsse. Aber Blumenberg hatte die Lider wieder gesenkt, sein gelehrter Auslegungsdrang war ihm abhanden gekommen. Für gezielte Abwägungen der geführten Leben zwischen dort und hier fehlte ihm die winzige Dosis Angriffslust, der Antrieb der Sorge, die es selbst für subtile Unterscheidungen braucht. Und in der Runde verlangte man auch keine weiteren Einlassungen von ihm. Ein jeder verlor sich, ein jeder hatte eine Dämpfung erfahren, trudelte in einem Wachzustand umher, der mit dämmrigen Schlafpartikeln durchsetzt war. Einzig die scharfäugige Mehliss erschien um ein weniges wacher als die übrigen. Auf ihren schwarzen Lackschuhen glänzte ein diabolischer Schein.

Das Rebhuhn war Blumenberg inzwischen vom Schoß geglitten, paar Schritte weit war es davongestelzt, hatte sich im Ungefähren verloren, um in der Tapisserie zur Ruhe zu kommen.

Aber wir sind — Richard zögerte und nahm wieder seine Finger zu Hilfe, um an der Luft einen Gedanken zu fassen — wir sind immer noch durstigen Sinnes. In Brasilien habe ich mal ein Faultier gesehen, das — er kam ins Stocken und wußte nicht weiter.

Frei nach Epikur, sagte Gerhard, sind wir in endlose Gespräche verwickelt, wenn auch nicht in griechische, wenn auch nicht in göttliche. So sehr der Sorge enthoben, daß wir uns nur um der Verwicklung willen verwickeln und uns Geschichten erzählen, die wir nicht erlitten haben.

Die, die wir erlitten haben, erzählen wir besser nicht, sagte die Mehliss.

Isa hob den Kopf und sah sich nach beiden Seiten um. Was wir erlitten haben, sitzt oben auf den Leitern und blickt höhnisch auf uns herab. Da oben sitzt mein weißes Kleid und macht Flattersachen.

Flattersachen? wunderte sich Gerhard.

Wischbewegungen.

Das Privileg der Schwachen, Geschichten zu erzählen, murmelte Blumenberg vor sich hin.

Richard hob zur Abwechslung die rechte, dann die linke Hand und bog der Reihe nach die Finger ein, als wolle er rechnen: Alle Schuld zugezählt, alle Schuld weggezählt.

Vielleicht wäre etwas gewonnen, wenn jeder sich anstrengte, die Reste von dem zu erfassen, was ihm bei seinem Hinscheiden widerfahren ist, sagte die Mehliss. Ich erinnere mich, wie trocken sich Bettwäsche anfühlt, wenn man mit der Hand darüber hinstreicht.

Spatzspatz, Spatzl, sagte Isa.

Wir — wir befinden uns in eigentümlicher Schweblage zwischen Heilsanteil und Schuld. Richards Hände suchten eine wägende Bewegung nachzubilden: Um — um — aber dazu müßten wir aufwachen.

Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: War es ein Franzose? Ein berühmter Franzose? Der gesagt hat, Erinnerung bedeute, man sei herausgetreten aus der Ungewißheit des Aufwachens, und darüber schwebe irgendwo ein Engel, der die zurückgewonnene Welt zum Stehen bringt? Die Hände gingen wieder herunter, seine alte Gobelintasche kam ihm vor die Augen, Tasche, die er sich, auch wenn von ihr nicht mehr geblieben war als ein Polster aus Luft, mit einer inständigen Bewegung vor das Herz drückte.

Fleischgehäuse, sagte die Mehliss.

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